Gegenstand der Untersuchung ist das Verhältnis des Suhrkamp Verlags zu Autorinnen und Autoren der DDR und ihren Werken vor dem Hintergrund poetologischer und politischer Ideen und Entwicklungen in der Bundesrepublik, die sich vermittelt über die Verlagspraxis auf die deutsch-deutschen Beziehungen und die Wahrnehmung von Literatur der DDR ausgewirkt haben. Die Arbeit beschäftigt sich deshalb zum einen mit dem vielfältigen Beziehungsgeflecht, das aus Verlagsperspektive eine alternative Periodisierung und Perspektivierung von Literaturgeschichte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts ermöglicht. Szenen dieser Beziehungsgeschichte veranschaulichen, wie der Suhrkamp Verlag in einem Spannungsverhältnis von kulturellen, ökonomischen, ethischen, politischen, gesellschaftlichen und sozialen Faktoren navigierte. Im Zentrum der Studie stehen zum anderen Formen und Funktionen verschiedener Verlagspraktiken – von der Textauswahl für das Verlagsprogramm, über die Ausgabengestaltung bis zur Vermarktung der Werke.
Ziel der Untersuchung ist neben der historischen Rekonstruktion, die Rolle des Verlags bzw. die Gemeinschaft von Verlag und Autorin oder Autor bei der Rezeption und Produktion von literarischen Werken zu skizzieren und damit auf das Potential von Verlags(archiv)forschung für literaturgeschichtliche und literaturwissenschaftliche Fragestellungen zu verweisen. Eine besondere Aufmerksamkeit liegt in der Untersuchung auf Parallelausgaben im geteilten Deutschland und ihrer produktions- und rezeptionsästhetischen Bedeutung. Das Verlagsarchiv erweist sich dabei als ein Ort, an dem sich Prozesse und Praktiken der Rezeption und Produktion beobachten lassen. Der Fokus der Untersuchung liegt insofern nicht auf den literarischen Texten, sondern deren Paratextualität, für deren Gestaltung die Produktionsgemeinschaft von Verlag und Autor bzw. Autorin verantwortlich zeichnet.
Anke Jaspers, geboren 1984 in Berlin, studierte Deutsche Philologie, Mittlere und Neuere Geschichte, Politik-, Medien- und Kommunikationswissenschaft in Göttingen und Lausanne. Von 2010 bis 2012 war sie DAAD-Sprachassistentin und Lektorin an der German-Jordanian University in Amman. Von 2012 bis 2016 promovierte sie im Suhrkamp-Forschungskolleg und war Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Humboldt-Universität zu Berlin. Sie ist seit 2016 Koordinatorin des Forschungsnetzwerks „Literatur im geteilten Deutschland“ und Mitglied des Arbeitskreises „Kulturwissenschaftliche Zeitschriftenforschung“. Seit 2017 ist sie Wissenschaftliche Assistentin an der Professur für Literatur- und Kulturwissenschaft der ETH Zürich.
Publikationen im Kontext des Suhrkamp-Forschungskollegs
2013. DDR-Literatur – eine Archivexpedition. 1. Teil: Nach Drüben! Überläufer und Diversanten (Tagung in Marbach v. 13.–14.12.2012). In: Zeitschrift für Germanistik XXIII (2013), 3, S. 672–674.
2014. suhrkamp wissen. Anatomie einer gescheiterten Reihe. In: Zeitschrift für Ideengeschichte VIII/1 (2014), S. 118–126. (mit Tobias Amslinger, Marja-Christine Grüne, Morten Paul, Charlotte Weyrauch und Claudia Zilk)
2014. Christina Lembrecht: Bücher für alle. Die UNESCO und die weltweite Förderung des Buches 1946–1982. In: Zeitschrift für Germanistik XXIV (2014), 3, S. 683f.
2015. Mythos und Magazin. Das Siegfried Unseld Archiv als literaturwissenschaftlicher Forschungsgegenstand. In: Irmgard M. Wirtz / Ulrich Weber / Magnus Wieland (Hg.): Literatur – Verlag – Archiv, Göttingen: Wallstein 2015, S. 185–215. (mit Tobias Amslinger und Marja-Christine Grüne)
2017. Autorschaft und Bibliothek. Sammlungsstrategien und Schreibverfahren (Internationale und interdisziplinäre Tagung in Weimar v. 8.–10.11.2016). In: Zeitschrift für Germanistik XVII (2017), 2, S. 383–385.
2018. »Ich male stets vor mich hin und dichte Verschen«. Ein Kommentar zu Sarah Kirschs Tagebuch 1964-66. In: Roland Berbig (Hg.): Auslaufmodell »DDR-Literatur«. Essays und Dokumente. Berlin: Ch. Links 2018, S. 355–367.
2018. Ein kleines rotes Buch. Die Mao-Bibel und die Bücher-Revolution der Sechzigerjahre. Berlin: Matthes & Seitz 2018. (Herausgeberschaft mit Claudia Michalski und Morten Paul)
2018. Wegweiser und Waffe. Gebrauchsweisen eines Buchs. In: dies. (Hg.): Ein kleines rotes Buch. Die Mao-Bibel und die Bücher-Revolution der Sechzigerjahre. Berlin: Matthes & Seitz 2018, S.7–64. (mit Claudia Michalski und Morten Paul)
2018. Daniel Leese: Ein einziger Funke. Übersetzt von Jaspers, Anke / Michalski, Claudia / Paul, Morten. In: Anke Jaspers / Claudia Michalski / Morten Paul (Hg.): Ein kleines rotes Buch. Die Mao-Bibel und die Bücher-Revolution der Sechzigerjahre. Berlin: Matthes & Seitz 2018, , S. 65–98.
2018. Editorial. In: IASL 43 (2018), Nr. 1. S. 90–107. (mit Tobias Amslinger, Katharina Einert, Claudia Michalski und Morten Paul)
2018. Ausgabenpolitik. Verlagspraktiken im geteilten Deutschland am Beispiel von Angela Krauß, Volker Braun und Uwe Kolbe. In: IASL 43 (2018), Nr. 1, S. 151–180.